Therapie von Erektionsstörungen bei Multipler Sklerose (MS)

Bei Männern jeden Alters können Erektionsstörungen auftreten. Diese können sowohl psychische als auch körperliche Ursachen haben. Im Fall von Multipler Sklerose trifft oft beides zu. Rund zwei Drittel aller MS-Patienten sind von erektiler Dysfunktion betroffen, was die Lebensqualität stark beeinträchtigt. Viele Betroffene tabuisieren das Thema, doch es ist wichtig zu wissen, dass wirksame neue Therapien existieren. Wir erklären die Zusammenhänge zwischen MS und erektiler Dysfunktion und zeigen verschiedene Therapieansätze auf.

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*Rezeptpflichtige Arzneimittel bedürfen einer ärztlichen Verschreibung
Medizinisch geprüft von
Dr. Johannes von Büren

Letzte Änderung:

16.8.2024

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Das Wichtigste in Kürze

  • Multiple Sklerose ist eine Erkrankung des Zentralen Nervensystems und kann zu erektiler Dysfunktion führen.
  • Es gibt medikamentöse und nicht medikamentöse Therapien, die bei Erektionsstörungen eingesetzt werden können. 
  • Sowohl MS als auch erektile Dysfunktion bringen starke psychische Belastungen mit sich – eine kognitive Verhaltenstherapie ist daher ein wichtiger Faktor bei der Behandlung.

Warum kann es bei MS zu Erektionsstörungen kommen?

Bei Multipler Sklerose handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems – also des Gehirns und des Rückenmarks. Da das Zentrale Nervensystem alle Funktionen in unserem Körper steuert, kann sich eine MS-Erkrankung auch auf fast alle Bereiche auswirken. Daher treten auch häufig sexuelle Probleme wie Erektionsstörungen auf. 

Symptome erektiler Dysfunktion bei MS

Häufig sind relativ junge Männer von Multipler Sklerose betroffen. Wenn MS in einem Lebensabschnitt auftritt, in dem Menschen sexuell sehr aktiv sind, kann das zu Problemen in der Partnerschaft, bei der Familienplanung und mit der allgemeinen Lebensqualität führen. Die Symptome der MS werden in verschiedene Kategorien unterteilt: 

  • Primäre Symptome

Primäre Symptome sind durch die Nervenerkrankung ausgelöste Symptome wie Taubheit oder veränderte Empfindungen im Genitalbereich, Verlust der Libido sowie Probleme, eine Erektion zu erlangen oder aufrechtzuerhalten. 

  • Sekundäre Symptome

Als sekundäre Symptome werden Einschränkungen des Sexuallebens durch begleitende Symptome bezeichnet. Dazu gehören beispielsweise Harninkontinenz, Muskelzuckungen, Schmerzen und die bei MS häufig auftretenden Erschöpfungszustände, die einen Verlust der Libido zur Folge haben können. Die Libido beschreibt, wie groß Dein Interesse und Deine Lust auf sexuelle Aktivität sind. Neben den direkten Symptomen können auch Medikamente zur Behandlung der MS Einfluss auf die Erektionsfähigkeit haben. 

  • Tertiäre Symptome

Darüber hinaus treten bei MS sogenannte tertiäre Symptome auf. Dabei handelt es sich um psychische Reaktionen auf die MS-Erkrankung und ihre Symptome. Der Umgang mit dem eigenen Körper, Entmutigung, Stimmungsschwankungen oder Depressionen können die Erektionsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Auch Veränderungen am Arbeitsplatz und im sozialen Umfeld sowie Zukunftsängste spielen eine wichtige Rolle. Diese Faktoren stellen eine große Belastung für die Beziehung zur Partnerin / zum Partner dar und können sich auf die Erektionsfähigkeit auswirken. 

Therapie erektiler Dysfunktion bei Multipler Sklerose

Bei der ärztlichen Diagnostik ist zunächst eine ausführliche neurologische, psychologische und auch sexualitätsbezogene Anamnese erforderlich. Unter Anamnese versteht man die Erhebung der Krankengeschichte, um eine Diagnose zu stellen. Dazu gehört eine genaue Analyse Deiner MS-Medikamente, da diese möglicherweise eine erektile Dysfunktion auslösen können. Wenn dieser Verdacht besteht, setze das Medikament nicht selbstständig ab, sondern konsultiere Deinen Arzt / Deine Ärztin. Außerdem ist eine urologische und gegebenenfalls neurophysiologische Untersuchung notwendig. 

Die Therapie von Erektionsstörungen bei MS beinhaltet medikamentöse bzw. invasive, nicht medikamentöse Therapien sowie psychotherapeutische Maßnahmen: 

  • Medikamentöse Behandlung 

Potenzmittel können bei der Behandlung von erektiler Dysfunktion hilfreich sein. Bei MS-bedingten Erektionsstörungen zeigen PDE-5-Hemmer wie Tadalafil und Vardenafil eine signifikante Verbesserung der Symptome. Sildenafil hingegen zeigte keinen eindeutigen Effekt und wird daher für MS-Patienten nicht ohne Vorbehalt empfohlen.

Injizierbare Medikamente wie Prostaglandin steigern die Erektionsfähigkeit, können jedoch den Blutdruck extrem senken. Deswegen wird, insbesondere wenn der Patient Herzmedikamente auf Nitratbasis einnimmt, davon abgeraten. 

Da MS-Medikamente die Symptome der erektilen Dysfunktion beeinflussen können, sollte in Absprache mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin geklärt werden, ob eine Reduzierung oder Anpassung der Medikation sinnvoll ist. Das gilt auch für Antidepressiva wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI). SSRI werden häufig zur Behandlung von Depressionen verschrieben. Sie wirken, indem sie die Menge an Serotonin im Gehirn erhöhen, einem Neurotransmitter, der die Stimmung und Emotionen beeinflusst. Essenziell ist vor der Medikation die Abklärung von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit MS-Medikamenten. 

  • Nicht medikamentöse Behandlung

Vakuum-Erektionshilfen können bei erektiler Dysfunktion kurzfristige Abhilfe bieten. Du solltest sie jedoch nicht länger als 30 Minuten benutzen.

  • Prothesen und Implantate

Wenn andere Methoden nicht wirken oder im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung kann der Einsatz einer Penisprothese oder eines Schwellkörperimplantats erwogen werden.

  • Psychotherapeutische Behandlung

Multiple Sklerose stellt eine starke psychische Belastung dar, die im Zentrum der erektilen Dysfunktion stehen kann. Eine kognitive Verhaltenstherapie zur Bewältigung dieser Belastungen ist daher von großer Bedeutung. Sie kann helfen, negative Denkmuster zu erkennen und zu überwinden. Durch Übungen mit dem Therapeuten lernt man neue Verhaltensweisen, um das psychische Wohlbefinden zu verbessern.

Information
Erektionsstörungen vertrauensvoll ansprechen

Erektionsstörungen bei MS sind keine Seltenheit. Wichtig ist es, das Problem anzusprechen und zu wissen, dass es medikamentöse und nichtmedikamentöse Therapien gibt, die Deine Lebensqualität verbessern können. Vertraue Dich Deiner Partnerin / Deinem Partner an und konsultiere einen Arzt für eine ausführliche Diagnose.

Häufige Fragen
Wie beeinflusst Multiple Sklerose das Risiko für Erektionsstörungen?

Multiple Sklerose beeinflusst die sexuelle Gesundheit und erhöht das Risiko für eine erektile Dysfunktion. Eine epidemiologische Studie aus dem Jahr 2012 hat den Zusammenhang zwischen MS und erektiler Dysfunktion bestätigt. In epidemiologischen Untersuchungen wird geklärt, wie häufig Krankheiten in verschiedenen Bevölkerungsgruppen auftreten und warum.

Welche Rolle spielen Medikamente zur Behandlung von MS bei der Entwicklung von Erektionsstörungen?

Erektionsstörungen können durch Nebenwirkungen von Medikamenten entstehen. Dein behandelnder Arzt / Deine behandelnde Ärztin kann den Medikationsplan möglicherweise an Deine Bedürfnisse anpassen. Dabei sind eventuelle Wechselwirkungen unbedingt zu berücksichtigen.

Wie kann die Kombination aus MS und Erektionsstörungen die Lebensqualität der Patienten beeinflussen?

Oft sind junge Menschen von MS betroffen, was eine tiefgreifende psychische Herausforderung darstellt. Wenn die Krankheit das Sexualleben beeinflusst, kann das die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Es ist wichtig zu wissen, dass es Behandlungsmöglichkeiten gibt, die Dich unterstützen können.

Kann ich Sildenafil nehmen, um eine erektile Dysfunktion bei Multipler Sklerose zu behandeln?

Ja, allerdings nur nach ärztlicher Absprache, da Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit MS-Medikamenten sehr genau beachtet werden müssen. Zu PDE-5-Hemmern (z. B. Viagra, Tadalafil und Vardenafil, Sildenafil) gibt es wissenschaftliche Daten, die die Wirksamkeit bei MS-Patienten belegen.

Was hilft bei Erektionsstörungen bei Multipler Sklerose?

Die Therapie der erektilen Dysfunktion bei MS-Patienten ist vielfältig und umfasst die medikamentöse Therapie mit PDE-Hemmern, nicht medikamentöse Ansätze und die kognitive Verhaltenstherapie.

Quellenangaben
Links
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